Komische Überschriften haben hier schon eine gewisse Tradition. Und vielleicht machen Sie die eine oder den
anderen neugierig auf den folgenden Text. War das jetzt mit „die eine oder den anderen“ richtig gegendert? Als Mann ist es ja nicht so politisch korrekt, sich zum Gendern kritisch zu äußern.
Gehört hier ja aber auch nicht her. Also lasse ich das...
Was soll die Überschrift? Sie ist ein Zitat von Jonathan. Dabei möchte ich erstmal mit einem Irrglauben
aufräumen. Viele Eltern finden, dass ihre Kinder die niedlichsten und schlausten sind. Das ist natürlich völlig subjektiv und das prangere ich an. Wir sind da ganz anders. Denn unsere
Kinder sind objektiv die niedlichsten und schlausten. Quatsch! Es gibt durchaus Tage, an denen wir gern eine Pausentaste drücken oder den Aus-Knopf finden würden. Kindchen-Schema hin oder
her – bei weitem nicht alle Kinder sind niedlich. Es gibt wie überall auch hässliche und unsympathische Exemplare.
Doch zurück zum Thema: Wie jeden Morgen waren neulich gegen 7 Uhr alle bei uns wach, außer Jonathan.
Normalerweise beginne ich gegen 6:45 Uhr, ihn sanft zu wecken. Meist werde ich dann gegen 7 Uhr von ihm angeschrien und/oder getreten. Gegen 7:10 Uhr beginnt eventuell die Diskussion, was
wo angezogen werden könnte. Bis zum Verlassen des Hauses gegen 7:30 Uhr wird es dann hektisch und um 7:35 könnte ich mich gut wieder hinlegen und von so einem Tagesstart erholen. Wie
gesagt. Anders neulich. Jonathan öffnet kurz vor 7:00 Uhr schon die Augen und bevor er irgendetwas anderes sagt, ruft er mir zu: „Champagner aus Pelzerhaken!“.
Mein blödes Gesicht hätte ich da gern gesehen. Ebenso Deins jetzt. Später am Tag hab ich versucht, die
Situation zu analysieren. OK, Jonathan schnappt viel auf und macht sich seinen Reim darauf. Das kann man wörtlich nehmen. Er reimt ständig. Eine Zeit lang war sein Lieblingsreim:
Kindergarten, Rinderbraten. Aber die Worte mit dem Champagner hat er von uns nicht gehört. Na gut, wir waren im Urlaub, ca. 3 Monate vor diesem Erlebnis, einen Tag in Pelzerhaken. Aber da
hat es in Strömen gegossen und von Champagner war weit und breit nichts zu sehen.
EU-rechtlich ist es auch eher problematisch von Champagner aus Pelzerhaken zu sprechen. Dazu ein kurzer
Exkurs zur Internet-Seite der Champagne:
Jede missbräuchliche Verwendung der Herkunftsbezeichnungen stellt eine
Täuschung der Verbraucher dar und schadet der Integrität der gesamten Weinbauregion. Der Comité Champagne schloss sich daher mit anderen betroffenen, großen Weinbauregionen zusammen, um
jede Verwirrung der Verbraucher zu vermeiden.
Schöner Gedanke, doch ich war dennoch sehr verwirrt. Aber wenn man seine Kinder nicht versteht, kann man
sich so was ja schön reden. Also muss das bei Jonathan ein Zeichen von unglaublicher Intelligenz sein. Diese Erfahrung habe ich auch auf diversen Spielplätzen gemacht. Egal, wie alt ein
Baby ist, das Leben ist ein Wettbewerb und nur Superlative zählen. Endergebnis: Es gibt keine normalen Kinder mehr. Es gibt nur noch hyperintelligente Kinder oder geistig schwer
behinderte. Natürlich überwiegen bei den Spielplatzerzählungen Erstere. „Wie, er ist 10 Monate alt und kann noch nicht laufen? Unsere Chantalle macht nächste Woche beim Kiel-Lauf mit.“
“OK, unser Maurice kann zwar noch nicht laufen, aber er segelt bei der Kieler Woche mit.“ Wer bei dem Wettbewerb nicht mithalten kann, sollte sich schnell eine Nische suchen, die ihn/sie
einzigartig macht. Frauen schaffen das mit unfassbaren Geburtsgeschichten. Egal, was eine Mutter bei der Niederkunft erlebt hat. Es geht immer noch schlimmer.
Da war es wieder, mein Leben als Randgruppe. Denn als meist einziger Mann in wahllos zusammen gewürfelten
Elterngesprächskreisen auf Spielplätzen konnte ich da nie mithalten. Meine Versuche, meine Einzigartigkeit in eine andere, die positive Richtung zu drehen, waren eigentlich immer für die
Tonne. Zum einen, weil ich als Mann nicht so richtig glaubwürdig über Schmerzen bei der Geburt reden konnte und wollte. Und ich bin weiterhin so stur, mich nicht für die Evolution
entschuldigen zu wollen: Nein, ich kann nichts dafür, dass die Natur sich entschieden hat, dass Frauen Kinder gebären und nicht Männer.
Zum anderen, wollte keine junge Mutter hören, dass Jonathans Mutter und ich nur ca. 45 Minuten im
Kreissaal waren und nach der Geburt von Jonathan erstmal Pizza bestellt haben, die direkt in den Kreissaal geliefert wurde. Dazu der schlimme Kalauer: Jonathans Mutter ist spät gebärend.
Jonathan kam um 19.15 Uhr zur Welt. Entschuldigung, aber der musste raus.
Natürlich war Jonathans Geburt für seine Mutter auch mit schlimmen Schmerzen verbunden. Aber bei den
Superlativen aller anderen Mütter, konnten wir nie mithalten.
Ähnlich ist es mit der Leistungsfähigkeit der Kinder. Alles wird bewertet und verglichen. Ja, jetzt. Aber
später dann nicht mehr. Mir wurden in Vorstellungsgesprächen viele unangenehme Fragen gestellt. Aber niemals: „Und wann haben Sie laufen gelernt?“ „Was war Ihr erstes Wort und wann haben
Sie es gesagt?“. Es ist so bei so vielem egal, wann es passiert. Hauptsache ist doch, dass alle gesund und glücklich sind. (So was Pathetisches wollte ich nie schreiben. Aber es passt
leider.)
Jonathan hat leider nie erklärt, was dieser Ausspruch sollte. Weder konnte er erzählen, wann und wo
er „Champagner aus Pelzerhaken“ gesehen hat. Noch wollte er mal so etwas haben. Wahrscheinlich ist das doch ein Zeichen riesiger Schlauheit, die sich mir nicht ergründet. Aber er ist ja
eh einer der schlausten... ☺
Schon jetzt ein schönes Wochenende
Kommentar schreiben